Zwanzig Jahre Deutsches Kulturzentrum Hermannstadt

Ein Gespräch mit Ana-Maria Daneș

Ana-Maria Daneș vor der „PoARTa“ des Internationalen Marathons Hermannstadt. Das Tor wurde zum Abschluss der Kulturhauptstadt Temeswar 2023 im House of European Institutes“ (HEI) gezeigt. | Foto: House of European Institutes

Ana-Maria Viscrean und Ana-Maria Daneș mit der Akkreditierungsplakette des Jahres 2023. | Foto: privat

Seit Juni 2022 ist Ana-Maria Daneș als Leiterin des Deutschen Kulturzentrums in Hermannstadt/Sibiu tätig. Darüber, wie moderne Kulturarbeit auf Deutsch gelingen kann, sprach ADZ-Redakteurin Aurelia Brecht mit ihr.

Frau Daneș, wie kam es, dass Sie diese Stelle in Hermannstadt angetreten haben?
Ich wollte unbedingt nach Siebenbürgen, weil hier meine Wurzeln liegen: Ich beschreibe mich als Bukaresterin mit siebenbürgischen Wurzeln. Nach der Pandemie wünschte ich mir die siebenbürgische Ruhe. Zunächst wollte ich Honorarlehrkraft im Online-Bereich bleiben. Da kam es zu diesem Angebot auf der Leitungsebene, und das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Ich habe in Bukarest Deutsch und Französisch studiert und anschließend ein Masterstudium mit dem Schwerpunkt Interkulturalität absolviert – daher meine Vorliebe für kulturelle Begegnungen. Danach habe ich fast fünf Jahre als Honorarlehrkraft am Goethe-Institut gearbeitet. Ein Jahr lang war ich dort außerdem auf einer Stelle tätig, die sich um die deutsche Minderheit kümmert: Von Bukarest aus habe ich Jugendprogramme und Fortbildungen für Lehrkräfte organisiert. Die deutsche Szene ist nicht so sehr in Bukarest zu finden, sondern eher in Hermannstadt. Deshalb habe ich mich gefreut, dass ich nach Hermannstadt ziehen konnte. Ich habe als Kind am deutschen Goethe-Kolleg in Bukarest gelernt, und alle Lehrbuchautorinnen kamen aus Hermannstadt. Diese Welten waren damals schon verknüpft. Und jetzt kann ich diese Arbeit von hier aus gestalten.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit aus? 
Näher als ich es mir anfangs vorgestellt habe. Wir haben Berührungspunkte. Sicher sind unsere Zielgruppen ziemlich unterschiedlich. Wir sind in Hermannstadt für das neue Deutschlandbild zuständig. Wir unterrichten „Deutsch als Fremdsprache“, organisieren Sprachprüfungen und vergeben Goethe-Zertifikate. Das braucht die deutsche Minderheit selbstverständlich nicht. Aber in puncto Jugendarbeit treffen wir uns und die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Jugendorganisationen (ADJ) ist erfolgreich. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und hoffen, in Zukunft mehr zusammenzuarbeiten. Zwei Theaterprojekte haben wir bereits in Kooperation mit dem Radu-Stanca-Theater und der ADJ durchgeführt. Im Jahr 2022 haben wir das Stück „Romulus der Große“ im Gong-Theater aufgeführt.

Wie sieht die Arbeit hier im Kulturzentrum aus?
Es ist eine schöne Arbeit. Ich sage immer, dass wir noch ein nobles Ziel haben. Kulturarbeit ist keine Arbeit, die um 18 Uhr endet. Unsere Institution ist in drei Teile unterteilt, wie ein Goethe-Institut: Wir haben den Bereich „Bibliothek“, die „Kulturabteilung“ und die „Sprachabteilung“. Letztere verkauft Kurse und Prüfungen und unterstützt damit die anderen beiden Abteilungen. Wir sind ein sehr kleines Team – immer zwischen drei und fünf Personen; und die Arbeit ist umfangreich und vielfältig. In diesen Zeiten ist es schwer, weil die Projekte natürlich alle von einer Finanzierung abhängen. Aber wir machen das Beste draus. Als Goethe-akkreditierte Institution haben wir das Privileg, dass wir Unterstützung haben.

Was beobachten Sie im Bereich der Sprachkurse? 
Wir befinden uns in einer post-pandemischen Zeit. Die Welt ist jetzt zweigeteilt. Wir haben die Zielgruppe, die nur online arbeiten will, sehr viel Zeit im Home-Office verbringt. Aber wir haben auch die Zielgruppe, die im Kulturzentrum lernen will. Eine Herausforderung ist, dass wir Online- und Präsenzbereich parallel betreiben. Es gibt Menschen, die ins Kulturzentrum kommen, weil sie nach einem langen Home-Office-Tag auch mal raus wollen. Für sie ist der Deutschunterricht eine Art Auszeit. Auf der anderen Seite gibt es sehr motivierte Kursteilnehmer, die ein bestimmtes Sprachniveau erlangen wollen, um einen besseren Job zu bekommen oder in den deutschsprachigen Ländern zu arbeiten. Eine Zielgruppe sind diejenigen, die im medizinischen Bereich arbeiten. Die Niveaus wurden ein bisschen erhöht: Ärzte brauchen jetzt ein C1-Niveau und Krankenschwestern ein B2-Niveau. Bis vor ein paar Jahren lag das Niveau noch bei B2 und B1. Sie haben also mehr zu arbeiten und müssen aktiver werden, wenn sie im Ausland arbeiten wollen. Wir sind da, um sie zu unterstützen und haben dafür unser Angebot erweitert: Mit einem Sprachcafé, das kostenlos ist. Die Kursteilnehmer können jeden Dienstag ins Sprachcafé gehen und treffen dort unsere Kulturweit-Praktikantin. Sie sind in einer echten Situation, müssen sich ausdrücken lernen, ihre Meinung sagen. Ich sage immer, wir müssen diese „Bubble“ schaffen. Für Englisch haben wir unsere Laptops und Handys, überall gibt es Texte auf Englisch. Wenn wir nicht dasselbe für Deutsch machen, geht das Lernen langsamer.

Haben Sie mit Ihrem Stellenantritt Neuerungen eingeführt?
Ja. Im Jahr 2022 hatten wir die zwei ifa-Projekte. Das war neu, weil wir bis zu diesem Zeitpunkt nur mit der Botschaft und dem Goethe-Institut kooperiert haben. Es gab das Theaterprojekt „Romulus der Große“ und eines mit Schülern aus dem Kunstlyzeum: Sie haben sich sächsische und rumänische Textilien angeschaut und anschließend selbst etwas kreiert. Vorher hatten unsere Projekte viel mit Literatur, Theater und Sprache zu tun. Aber wir wollten die kulturellen Inhalte nicht vernachlässigen und die Sprache lebt eben auch durch diese Textilien. 2023 hatten wir Workshops für Kinder im Bereich „Deutsch als Muttersprache“. Wir wollten ihnen die Möglichkeit geben, ohne Furcht Deutsch reden zu können, denn sowohl Kinder als auch Erwachsene sprechen oft nur im Unterrichtskontext Deutsch. Wir wollten Sprechanlässe schaffen. Im Bereich Film gibt es jetzt die Zusammenarbeit mit dem ESTE-Film-Festival. Den Film „Nosferatu“ von Murnau haben wir neu gezeigt, mit Untermalung durch experimentelle Musik. Auch das Projekt „Platforma de arte vizuale“: Es handelt sich um ein Projekt des Künstlers Dan Perjovschi, fand mit Hilfe von Iris Ordean statt und war auch Teil des FITS-Festivals. Hier hat das Kulturzentrum auch mitfinanziert und -organisiert. Die Kooperation mit dem Holzstock-Festival war neu. Die „Mobile Bibliothek“ entstand durch Zufall, weil wir zum Street-Delivery-Festival im Stadtzentrum eingeladen wurden. Wir haben auf der Straße eine Bibliothek mit Leseecke aufgebaut. Kinder und Eltern verbringen leider heute wenig Zeit miteinander und ich sehe darin Potenzial, solche besonderen Räume anzubieten. Es gab viele Eltern, die den Kindern vorgelesen haben, was uns sehr gefreut hat. Es gab also vieles, was neu war. Im Mai wollen wir über das „Festival Filmului European“ des „Institutul Cultural Român“ Filme zeigen. Diese Kooperation ist auch neu.

Das Hermannstädter Kulturzentrum feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Welche Veranstaltungen sind geplant?
Wir gestalten eine Ausstellung mit dem Künstlerduo „Bretz/Holliger“, die an verschiedenen Orten in Hermannstadt stattfinden wird. Im September haben wir dann unsere Jubiläumsfeier. Zur Geschichte: Die Kulturgesellschaft in Hermannstadt wurde 1995 von mehreren Dozenten der Universität gegründet. Aber das Kulturzentrum an sich feiert 20 Jahre, weil wir seit 2004 eigenständig sind. Die Idee einer Kulturgesellschaft und einer Mitwirkung war in den neunziger Jahren bis in die 2000er Jahre ein Leitmotiv im Land. Mit der Unterstützung der Bosch-Stiftung und 2004/05 des Goethe-Instituts konnten sich damals die Kulturzentren gründen. Das alles werden wir bei der Jubiläumsfeier darstellen. Ich selbst bin 1995 geboren. Wir sind die Generation, die mit diesen Strömungen aufgewachsen ist. Die deutsche Schule war nach der Wende eine sehr wichtige Schule in Bukarest. Alle wollten Deutsch lernen. Das geschah nach der Wende, als alles aufzublühen begann, natürlich nicht ohne Hindernisse. Die Kulturgesellschaften und damit auch die Kulturzentren sind ein Produkt dieser schönen Idee, sich zusammenzuschließen.

Welche Projekte sind Ihnen besonders wichtig?
Alle! Ich bin sehr gespannt auf die Ausstellung von Bretz/Holliger, weil sie für uns etwas Spezielles entwerfen. Sie arbeiten viel mit Medien, auch digital, mit großen Installationen, aber auch mit Miniaturen. Die Jubiläumsfeier ist mir wichtig, weil das Kulturzentrum eine besondere Geschichte hat, die wir zeigen wollen. Durch das Tor, die „PoARTa“ auf dem Hermannstädter Marathon konnten wir eine Fusion zwischen Kunst und Sport herstellen, was hier in der Region im Projektbereich einzigartig ist. Mir ist es wichtig, dass die Sprachkurse weitergehen und wir weitere Kinderkurse anbieten können. „Deutsch als Fremdsprache“ für Kinder bieten wir verstärkt an. In Hermannstadt gibt es die Tradition der Schulen mit „Deutsch als Muttersprache“, aber „Deutsch als Fremdsprache“ existiert auch. Ein oder zwei Stunden in der Schule sind aus meiner Sicht sehr wenig. Wir bieten die Kurse an, um den Lernprozess zu unterstützen. Die Bibliothek liegt mir am Herzen, weil wir diese Tradition unserer Vorleserunden haben: Wir arbeiten im Schnitt mit kleinen Gruppengrößen von zehn Kindern. Das macht alles sehr interaktiv. Die Kinder können die Bücher anfassen. Es gibt viel Musik. Sie sprechen mit einem Muttersprachler, was wichtig ist.

Wo wollen Sie in Zukunft Schwerpunkte in der Arbeit des Kulturzentrums setzen?
Kulturelle Begegnungen, Austausch, Kommunikation, wie es unser neues Motto „Deutsch. Kultur. Heute“ spiegelt. Wir haben sehr viele deutschsprachige Künstler, die durch die Welt ziehen, Künstler aus Rumänien, die in den deutschsprachigen Ländern arbeiten und dort wirken. Das ist ein wichtiger Punkt, weil wir von uns selbst heute nicht mehr sagen können, dass wir nur in einer Kultur aktiv sind. Wir sind jetzt von klein auf interkulturell. Ich will dem Publikum zeigen, wie diese kulturelle und sprachliche Entwicklung stattfindet. Ich sehe das an meiner eigenen Person: Ich war an einer deutschen Schule in Bukarest. Ich war in einer Großstadt, aber unsere Schule war wie eine Insel. Wir erfuhren erst im Gymnasium, dass es so viele andere Schulen in Rumänien gibt, die „Deutsch als Muttersprache“ anbieten. Als ich das erfahren habe, war ich nicht mehr alleine. Wir haben zum Beispiel einen Kommunikationskurs angeboten, um Kinder verschiedener deutschsprachiger Schulen in unterschiedlichen Städten zu vernetzten. Vielleicht werden wir solche Begegnungen künftig während des Sommers oder der Schulferien anbieten, damit ein Austausch stattfindet. Das will ich anbieten, da schlägt mein Herz – für diese Begegnungen.